© Wolfgang Borchers / pixabay.com
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EAA-Energie Talk: Industriestandort Europa unter CO2-Nöten?

Von der EU-internen Zielsetzung zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ist die europäische Industrie sehr stark betroffen - besonders die Sektoren Verkehr, Abfallwirtschaft und Raumwärme.

Das war die einhellige Meinung von Wirtschaftsvertretern, die die Auswirkungen des Weltklimavertrags auf die Energieversorgung und den Standort Europa beim Energie Talk diskutierten.

Am Dienstagabend stand beim EAA-Energie Talk im Museumsquartier angesichts des Weltklimavertrags die Frage "Industriestandort Europa unter CO2-Nöten?" im Mittelpunkt einer hochkarätigen Diskussion. Dr. Felix Christian Matthes, Energieexperte am Ökoinstitut Berlin, Berater der deutschen Bundesregierung sowie Mitglied der Energy Advisory Group der Europäischen Kommission, DI Andreas Eigenbauer, Vorstand Energie-Control Austria, DI Dieter Drexel, Stv. Bereichsleiter Ressourcen & Infrastruktur bei der Industriellenvereinigung und DI Dr. Johann Pluy, Geschäftsbereichsleiter Bahnsysteme, ÖBB-Infrastruktur AG diskutierten über mögliche Auswirkungen des Klimaschutzes auf die Energieversorgung und den Wirtschaftsstandort.

"Industrie muss neu designt werden"

Der deutsche Energieexperte Felix Christian Matthes erläuterte zu Beginn seine Eindrücke der Klimakonferenz in Paris: "Es war spannend zu beobachten, dass die erneuerbaren Energien nicht mehr als Bürde gesehen werden, sondern von vielen Staaten als Chance zur Modernisierung wahrgenommen werden." Trotzdem sieht Matthes die Energiewende derzeit mit Kernfragen konfrontiert, die der Zielerreichung bis 2030 entgegenwirken und skizziert das aktuelle Energiesystem: "Wir sind mit der Situation konfrontiert, dass es gleichzeitig niedrige CO2-Zertifikatspreise und niedrige Brennstoffpreise gibt. Und trotz dieser Tatsachen muss dringend in den Kraftwerkspark investiert werden." Seit Beginn der Liberalisierung vor knapp 20 Jahren seien die Investitionen in neue Kraftwerke und Anlagen laut Matthes auf ein "Rekordniedrigniveau gesunken. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass das Stromsystem mit dem aktuellen Preis von drei Cent pro Kilowattstunde refinanziert werden kann." Aus diesem Grund müssten sich Energiewirtschaft und Politik so rasch wie möglich der Investitionsfrage stellen. Matthes meinte, die europäische Industrie sollte die "Entwicklung zur Dekarbonisierung Europas als Chance zur Innovation nutzen." Wichtig wird es in jedem Fall sein, die Produktionssysteme der europäischen Industrie innerhalb der nächsten Dekade umzustellen. In Zukunft sollten die Industrieunternehmen die Nachfrage nach Energie entsprechend dem Angebot steuern und sich dabei am Energieangebot orientieren und nicht wie in der Vergangenheit umgekehrt. Es müsse laut Matthes "die Industrie neu designt werden, die die Volatilitäten bei der Stromerzeugung optimal ausnutzen kann."


Große Herausforderungen sieht auch Dieter Drexel, Energie- und Klimaexperte in der Industriellenvereinigung. Er glaubt, dass "der CO2-Preispfad im Zeitraum zwischen 2020 und 2030 ansteigen wird, weil die Europäische Kommission weitere politische Schritte unternehmen wird, um den CO2-Preis in die Höhe zu treiben." Vor allem für die produzierende und energieintensive Industrie könne es mit den steigenden CO2-Preisen schwierig werden, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben und kostendeckend zu produzieren. Es gilt daher die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa zu erhalten und Carbon Leakage zu vermeiden. Grundsätzlich sei laut Drexel die EU-interne Zielsetzung, die konkret die Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2030 vorsieht, eine ambitionierte Vorgabe, der man sich aber zu stellen habe. Alle Bereiche der Volkswirtschaft, auch jene die bislang nicht wie die Industrie einer zwingenden Reduktionsverpflichtung unterliegen, seien gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Letztendlich so Drexel sei "Innovation in allen Bereichen der Schlüssel zu einem klimaverträglichen Energiesystem, das gleichzeitig in der Lage ist, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes und damit den Wohlstand in Europa zu erhalten."

Vorgeschmack beim Gütertransport

Die ÖBB-Infrastruktur AG spürt die Auswirkungen der Energiepolitik bereits beim Transport von Rohstoffen empfindlich. Johann Pluy, Geschäftsbereichsleiter Bahnsysteme der ÖBB-Infrastruktur AG: "Heutzutage fährt beispielsweise Steinkohle in Österreich nicht mehr auf der Schiene. Eine zu ambitionierte CO2-Politik vertreibt die rohstoff- und energieintensive Industrie. Und der Gütertransport ist schon jetzt stark umkämpft." Einen weiteren Anreiz für den Transport mit LKW bringen auch die derzeit niedrigen Dieselpreise mit sich. Diese Entwicklung sei momentan für die Auslastung des Schienennetzes der ÖBB von entscheidender Bedeutung. "Wir bewegen uns da in die falsche Richtung", so Pluy, der auch das derzeitige Emissionshandelssystem kritisch betrachtete: Es sei ein theoretisches System mit wenig praktischem Steuerungseffekt. "Fakt ist, dass wir uns etwas überlegen müssen", sagte Pluy: "Das Thema CO2 muss ganzheitlich behandelt werden: Von der Landwirtschaft bis hin zur Industrie." Die ÖBB müssen ihr Transportsystem an die neuen Gegebenheiten anpassen, um konkurrenzfähig zu bleiben: Durch den Bau von Terminals soll beispielsweise der Umstieg von LKW zu Schiene schneller und attraktiver werden. Weiterhin leistbare und klimafreundliche Mobilität für Pendler zur Verfügung zu stellen, steht ganz oben auf der Agenda der ÖBB. Die Bahn spart bereits jetzt jährlich bis zu 3,4 Millionen Tonnen CO2 ein. Mit einer Emission von 14 Gramm CO2 pro Personenkilometer ist die Bahn Vorreiter bei klimafreundlicher Mobilität. Im Vergleich dazu hat ein PKW einen 12-mal, ein LKW-Gütertransport 21-mal und ein Flugzeug einen 30-mal so hohen CO2-Ausstoß als der Transport auf der Schiene. Die Basis für die gute CO2-Bilanz des Schienenverkehrs in Österreich bilden die Herkunftsquellen des Bahnstroms.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /